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Nach der Impfung wollte sie ihr Testament schreiben

Drei Menschen erzählen, was ihnen nach einer Impfung passierte. Inzwischen zeigen erste Studien, dass die Symptome wirklich mit dem Impfstoff zusammenhängen.

Portrait von Jeanette D. am 18.01.2022 in Berlin


Berlin - Besonders schlimm, erinnert sich Jeannette D., seien die ersten Tage gewesen, direkt nach der Impfung. „Erst konnte ich meinen Arm nicht mehr bewegen“, sagt sie. „Dann war da ein Schmerz zwischen Zeige- und Mittelfinger, der sich bis zum Oberarm ausbreitete.“ Sie fühlte sich, als würde ihr Körper gegen etwas rebellieren; sie spürte ein starkes Stechen im Herzen, der Puls wurde schneller. Sie war müde, konnte aber nicht einschlafen. „Ich bin dann zu meinem Mann gegangen und hab zu ihm nur gesagt: Du, schau doch morgen früh nach, ob ich noch lebe.“ Er habe sie dann fest angesehen und gesagt: „Nein, du stirbst nicht.“ Sie dachte in diesem Moment darüber nach, ein Testament zu schreiben.


Jeannette D. weint, als sie jetzt, im Januar 2022, von dieser Zeit bei einem Tee erzählt. Kaffee geht nicht mehr, wegen des Herzens. Damals, im April 2021, als sie am Morgen nach der Impfung zur Arbeit wollte, das Ziel änderte und zu ihrem Hausarzt fuhr. Sie war dann lange nicht mehr arbeiten, weil es körperlich nicht ging. Es war die Zeit, als nur die Menschen gegen Covid-19 geimpft werden konnten, die einer Berufsgruppe wie ihrer angehörten. Die Erzieherin aus Strausberg fand es selbstverständlich, dass sie in einer Pandemie sich und andere schützen muss. Natürlich wollte sie sich impfen lassen. Sie gehört selbst heute, nach allem was sie mitgemacht hat, nicht zu denen, die gegen die Maßnahmen demonstrieren.


Aber trotzdem kann Jeannette D. nach der Impfung bis heute nicht mehr arbeiten, kann sich nicht länger konzentrieren, hat Schmerzen, die sie sich nicht erklären kann. Sie teilt ihre Symptome in drei Gruppen ein. Da sind zum einen die Dinge, die „besser geworden“ sind: Tinnitus, Kälteschauer, Kribbeln im Kopf. Dann sind da die Dinge, die sie bei „unter Belastung“ gelistet hat: Schwindel, Zuckungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen. Darüber die „vorherrschenden“: Herzstolpern, Kopfdruck, Muskelzucken, ein Brennen am Rücken und fehlender Gleichgewichtssinn. Ihr Alltag ist einschränkt, sie ist meist zu Hause und hat damit zu tun, die unterschiedlichen Symptome in Schach zu halten. Inzwischen hat sie nach mehreren Arztbesuchen zumindest die mündliche Aussage eines Internisten, dass er keine zweite Impfung empfiehlt. Ihrer Hausärztin ist es auch zu unsicher.


Arzt: „Reißen Sie sich zusammen“


Seit rund einem Jahr wird geimpft in Deutschland, rund 162 Millionen Corona-Impfdosen sind bisher bundesweit verimpft worden. Im Verhältnis erscheinen die potenziellen Impfschäden sehr gering. Bis heute seien laut einer Recherche der Neuen Osnabrücker Zeitung 1219 Anträge auf Entschädigung wegen sogenannter Impfschäden gestellt worden. Da alle Bundesländer außer Bayern Fälle von Impfschäden nicht öffentlich machten, erfragte die Neue Osnabrücker Zeitung die Zahlen bei den jeweilig zuständigen Landesbehörden. Demnach seien von den eingegangenen Anträgen bisher 54 entschieden und davon wiederum 18 bewilligt und 30 abgelehnt worden. Um welche Impfschäden es sich genau handelt, ist derzeit nicht bekannt, das unterliege dem Datenschutz. „Zu Einzelfällen und somit der etwaigen Schwere der Schäden oder der Höhe von Entschädigungen machten die Behörden keine Angaben“, schreibt die Zeitung.


Die drei hier beschriebenen Fälle gehören bisher nicht zu diesen 18, aber die Betroffenen kämpfen dafür, ebenfalls anerkannt zu werden. Da ist Felicia Binger, 28, eine Schauspielerin aus Frankfurt am Main, die kurz vor ihrer Impfung noch in einem Katjes-Spot aufgetreten ist und seit ihrer Impfung zu schwach ist, um lange das Haus zu verlassen. Über sie kam der Kontakt zu den anderen beiden zustande. Da ist Hendrik G., 40, der noch immer, sieben Monate nach der Impfung, mit Erschöpfung und erhöhter Körpertemperatur kämpft und manchmal nicht das richtige Wort findet. Und da ist eben Jeannette D., 46, die inzwischen nicht mehr gern ins Bett geht, weil sie weiß, dass es wieder eine Qual wird.


Sie berichten, dass zum Teil schon TV-Magazine und andere Wochenzeitschriften über ihre Fälle berichten wollten, diese Texte und Beiträge dann aber nicht erschienen sind. Vielleicht warten die Redaktionen auf einen besseren Moment? Alle drei wurden mit Biontech geimpft. Sie möchten über ihr Leiden sprechen, damit andere, die ähnliche Symptome haben, sich nicht so allein fühlen wie sie direkt nach ihrer Impfung – und damit andere nicht auch von den Ärzten eine Überweisung für den Psychologen in die Hand gedrückt bekommen, mit dem Rat: „Ruhen Sie sich einfach mal wieder richtig aus.“ Oder ein wenig einfühlsames: „Reißen Sie sich zusammen“.


Kein Arzt konnte lange Zeit helfen


Alle drei haben Symptome, die sie deutlich spüren und die ihre Leben beeinträchtigen, die sich aber nur schwer messen und nachweisen lassen. So geht es vielen Menschen, die chronisch krank, etwa chronisch schmerzkrank sind. Auch ihnen glaubt man deshalb nicht immer. Wer berichtet, nach einer Impfung erkrankt zu sein, stößt auf ähnliches Misstrauen.


Und selbst wenn sich etwas über Blutwerte oder EKGs ermitteln lässt, fehlt es an Vergleichswerten aus der Zeit vor der Impfung. Wenn die Symptome psychosomatisch sein sollten, müssten sie doch ebenfalls behandelbar sein. Die drei sagen, sie würden jede Studie mitmachen, wenn Hoffnung bestünde, dass ihre Symptome verschwinden. Aber sie gehen nicht weg, egal mit welcher Methode sie es versucht haben.


Die Berliner Zeitung am Wochenende konnte den Kontakt aufbauen, weil die drei Betroffenen einer Selbsthilfegruppe beigetreten sind, einer geschlossenen Gruppe auf Telegram mit rund 300 Mitgliedern. „Dort besprechen wir“, sagt die Schauspielerin Felicia Binger, „was einzelne von uns bei verschiedenen Ärzten erleben.“ Oft sind die Erfahrungen ähnlich, meist kann keiner genau sagen, was es ist. Kein Internist, Neurologe, HNO-Arzt. Allen Betroffenen gehe es nur darum, endlich wieder gesund zu werden, die richtige Hilfe zu finden. „Ich wollte unbedingt geimpft werden“, sagt Binger, „ich gehörte mit Asthma schließlich zur Risikogruppe.“ Sie nehme die Krankheit Covid-19 sehr ernst. Sie lacht kurz: „Alle in unserer Gruppe sind geimpft, darum geht es ja.“ Bei vielen zeigten sich die Reaktionen erst nach der zweiten Impfung.


Nach ihrer ersten Impfung Anfang Mai bekam Binger Zuckungen am Körper, die Haut entwickelte Nesselsucht, der Puls stieg schnell und die Kopfschmerzen kamen, gingen und kehrten oft wieder zurück. Bei jedem Schritt hatte sie Schmerzen. Ihre Periode kam zwar, aber das Blut war geronnen. Mal war ihr Arm taub. Es habe sich angefühlt, als sei der ganze Körper in einer Art Ausnahmezustand. Sie kann sich nicht lange körperlich betätigen, ohne dass sie sich ausruhen muss. Selbst ein kurzer Spaziergang ist anstrengend, Freunde gehen für sie einkaufen.


Vitamine brachten eine Verbesserung, aber so wie vorher ist es noch nicht.


„Immerhin geht es mir besser als anderen in der Gruppe“, sagt Binger, „und inzwischen habe ich einen Anhaltspunkt, was mit mir los ist.“ Sie hat mit der Uniklinik Erlangen Kontakt aufgenommen und eine wissenschaftliche Bestätigung ihrer Symptome bekommen – und damit auch endlich das Gefühl, dass man ihr glaubt. Die Symptome ähneln stark denen von Long Covid (Müdigkeit, Gliederschmerzen, Schwindel), werden aber von ihrem Immunsystem ausgelöst, das sich gegen den eigenen Körper wendet. Sie hat eine Sauerstofftherapie probiert und Vitamin C hochdosiert: „Beides brachte eine Verbesserung, aber so wie vorher ist es noch nicht“, sagt sie. Allergisch auf die Impfung ist sie aber nicht. „Ich wurde auf alle Stoffe in der Impfung getestet“, sagt sie, „auf keinen Stoff, der in der Impfung enthalten ist, reagiere ich allergisch.“ Es ist nicht der Stoff selbst, sondern das, was ihr Immunsystem damit mache.


Leiden die drei an Long Covid, ohne je an Covid erkrankt zu sein? Es klingt, als lege man zwei Rätsel übereinander. Denn auch die Spätfolgen einer Corona-Infektion sind noch immer nicht richtig verstanden: Wer erkrankt an Long Covid, was passiert dabei im Körper, können tatsächlich sogar Infektionen, die ohne Krankheitszeichen verlaufen, die Spätfolgen auslösen, und wenn ja: warum? Forscher in aller Welt versuchen das zu verstehen.


Nun vermuten einige Forscher, dass in sehr seltenen Fällen auch eine Impfung zu einer Art Long Covid führen könnte. Das Magazin Science, eines der wichtigsten Wissenschaftsjournale, berichtet in der aktuellen Ausgabe darüber. Das Magazin hat auch mit Patienten gesprochen, die an ähnlichen Problemen nach einer Impfung leiden, wie die drei Menschen, die mit der Berliner Zeitung am Wochenende gesprochen haben. Der Bericht in Science ist vorsichtig, auch die Forscher äußern sich zurückhaltend. Die Fälle sind selten, der Kausalzusammenhang nicht klar. Und der Diskurs um die Impfung ist von Impfgegnern vergiftet.


Schon im Januar 2021 habe sich eine Gruppe am National Institute of Health, NIH, der obersten medizinischen Forschungsbehörde in den USA, mit Patienten beschäftigt, die nach einer Impfung über tiefe Erschöpfung, „Brain Fog“ (Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme) oder Blutdruckprobleme klagten. Die Zahl der Patienten war klein, Tests verliefen ohne klares Ergebnis, heißt es in dem Science-Bericht. Und seien später offenbar abgebrochen worden. Inzwischen befasse sich aber „eine kleine Zahl von Forschern“ weltweit mit dem Phänomen. Im Zentrum ihrer Suche stehen Autoantikörper – so werden Antikörper genannt, die sich nicht gegen Krankheitserreger richten, sondern gegen den eigenen Körper. Sie kann man bei allen Autoimmunerkrankungen finden. Spielen sie auch bei Long Covid eine wichtige Rolle – und möglicherweise sogar bei seltenen Impfnebenwirkungen? Noch nicht einmal der erste Teil der Frage ist beantwortet, es werden auch andere Ursachen von Long Covid diskutiert, etwa, dass Viren im Körper zurückbleiben.


Das öffentliche Sprechen über die Krankheit ist schwierig, das sagt auch Jeannette D. „Ich bin keine Wissenschaftlerin, ich verlasse mich auf das, was die Ärzte mir sagen.“ Aber sie hatte oft das Gefühl, dass diese ihr nicht weiterhelfen konnten. Ein Neurologe sagte ihr, der Schwindel sei psychosomatisch bedingt, was nicht ungewöhnlich sei; bis zu 50 Prozent aller Schwindelgefühle entstehen so. Kopf und Herz seien objektiv gesund. Sie solle positiv denken, aber der Schwindel ging nicht weg, auch nicht der Kopfdruck oder die Müdigkeit.


Das hatte Einfluss auf ihre Arbeit als Erzieherin. Kinder nehmen keine Rücksicht, ob jemand gerade nicht belastungsfähig ist. Sie habe im Sommer versucht, mit dem Hamburger Modell den langsamen Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag zu schaffen, aber die Belastung sei zu groß gewesen. Eine Woche vor Weihnachten brach sie den Versuch vorerst ab. „Das Durchschlafen ist noch immer ein Problem“, sagt sie, „der Kopfdruck und Drehschwindel kommen auch, wenn ich nur ein paar Minuten im Garten gearbeitet habe.“ Geblieben sind bis heute das Herzstolpern, der hohe Puls und dass sie Gelesenes nicht so gut verstehen kann.


Im Blut ungewöhnlich hohe Infektionswerte


Ähnlich geht es Hendrik G., einem IT-Fachmann aus Charlottenburg. Sein erster Impftermin im Mai verlief gut, sagt er, im Juli dann, einige Tage nach der zweiten Impfung merkte er, wie er immer mehr abbaute: Schwindel, Kreislauf, Erschöpfung. Was bei ihm besonders war, ist der Körpertemperatur-Anstieg, sobald er sich anstrengt. Er erreicht dann mit dem Fieberthermometer Werte zwischen 37,4 und 38,4 Grad Celsius. Diese kontinuierliche Erschöpfung lässt ihn ebenfalls nicht arbeiten. „Es sei wie Long-Covid, ohne Covid gehabt zu haben.“ In seiner Familie sind alle geimpft, da gab es keine Diskussion, aber er ist der einzige, bei dem es diese Reaktion gab.


„Selbst wenn ich 10 Minuten meinen Balkon fege“, sagt er, „fühle ich mich überhitzt und werde sehr müde.“ Das alles passe nicht zu ihm, sagt der 40-Jährige. Der erste Besuch beim Arzt schloss nach einer Blutuntersuchung sofort eine Corona-Infektion aus. „Aber er konnte nicht sagen, was es ist.“ Die Entzündungswerte im Blut waren ungewöhnlich hoch. Hendrik G. ließ sich von seiner Hausärztin krankschreiben, das ist er bis heute. „Wenn ich zwei Kilometer laufe, muss ich danach drei bis vier Stunden schlafen.“ Wenn er es jemandem erklären soll, benutzt er oft das Beispiel eines Handy-Akkus: „Ich werde warm, wie ein Smartphone, das man zu lange benutzt.“ Seit Monaten bittet er Ärzte um Hilfe. Ein Facharzt, so sagt er, sei so abweisend gewesen, dass er ihm einen Voodoo-Priester empfohlen habe. „Wenn man so etwas von einem Arzt hört, fühlt man sich als Patient komplett allein gelassen, oder?“


Diese Erfahrungen dürfen nicht ignoriert werden


Genau wie Jeannette D. und Felicia Binger wandte sich auch Hendrik G. an ein Labor, das sein Blut untersuchte. Die Gemeinsamkeit der Blutuntersuchung ist auch ein Thema im Artikel: Alle weisen Autoimmun-Antikörper auf, welche die verschiedenen Symptome verursachen können. Hendrik G. hat bei einem seiner Arztbesuche auch erfahren, dass eine Epstein-Barr-Reaktivierung dahinter stecken könnte. Das Epstein-Barr-Virus stammt aus der Herpesfamilie und ist unter Erwachsenen weit verbreitet. Bei einigen könnte es diese Reaktionen ausgelöst haben, auch dazu gibt es Studien. Doch die sind noch in einem frühen Stadium.


Unterstützung erfahren die Betroffenen unter anderem von der Leiterin eines dieser Labore, Frau K. (Name der Redaktion bekannt), die Blutwerte auf Autoimmun-Antikörper untersucht. Einer ihrer ersten Sätze am Telefon ist: „Ach, ich möchte die Impfung nicht in Frage stellen, denn sie hilft.“ Dann sagt sie: „Aber was die Betroffenen sagen, stimmt, die sind zum Teil richtig krank und fühlen sich in extremer Not, weil ihnen keiner helfen kann.“ Damit müsse man umgehen, jedenfalls dürfe es nicht ignoriert werden. Sie stehe als Wissenschaftlerin im Kontakt mit Kollegen auf der ganzen Welt. Noch gebe es zu viele Fragen, um das in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Die Frage müsse lauten: „Warum greift sie bei sehr wenigen das eigene Immunsystem an, während die Impfung für die überwältigende Mehrheit das Immunsystem stärkt?“


Ihre Zurückhaltung, ihren Namen zu nennen, habe damit zu tun, sagt Frau K., dass diese Diskussion um die Impfung gerade auf politischer Ebene geführt werden muss. Gerade in dieser Woche debattierten die Parteien im Bundestag dreieinhalb Stunden über eine Impfpflicht. Dabei wurde noch einmal deutlich, wie komplex das Thema ist, auch wenn andere Länder wie Österreich sie bereits durchgesetzt haben. In vielen Parteien gibt es keinen eindeutigen Konsens, SPD und CDU argumentieren für oder gegen eine Impfpflicht, die Grünen sind eher dafür, die FDP ist eher vorsichtig dagegen. Einigkeit gibt es nur darin, dass die Impfung schützt.


Die drei Betroffenen ärgert das. Ihre Fälle sind noch nicht als Impfschaden formell anerkannt. Dabei haben alle die Grenze von sechs Monaten nach der Impfung bereits überschritten. Laut Paul-Ehrlich-Institut hat ein Impfschaden erst nach dieser Frist eine Chance, als solcher anerkannt zu werden. Bei vielen der Betroffenen, auch Jeannette D., hat F. bisher die Kosten von 225 Euro für die Laboruntersuchungen selbst übernommen. Felicia Binger hat Behandlungen hinter sich, die zum Teil noch viel teurer waren und nicht von der Kasse bezahlt wurden. Immerhin hat sie jetzt Schwarz auf Weiß, dass sie das Post-Covid-Syndrom hat. In Klammern steht dahinter: „Post-Vakzine“.


Die Laborleiterin K. sagt, dass diesen Menschen doch geholfen werden müsse, deshalb hält sie diese Form der Einordnung vorerst für angemessen. „Diese Betroffenen wollten sich und andere schützen und deshalb sollte auch der Staat dafür aufkommen und dafür sorgen, dass eine Behandlung der Patienten kassenfähig wird.“ Das Problem sei, wenn man diese Geschichten erzählt, egal wie selten diese Folgen sind, dass sich dadurch Impfskeptiker bestätigt sehen. Allerdings handele es sich um eine Unverträglichkeit, die auch in einem anderen Zusammenhang, zum Beispiel bei einer Covid-Infektion oder einem anderen Impfstoff, hätte auftreten können. „Es wird immer Leute geben, die einen Bestandteil einer Impfung nicht vertragen, aber für die muss es eine Therapie geben.“


Laut Science forscht auch Harald Prüss, Neurologe Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) und der Charité Berlin an der Antikörperantwort auf das Spikeprotein – und zu der Frage, ob diese Reaktion auch „Kollateralschäden“ in Form von Autoimmunreaktionen verursachen könnte. Prüss habe auch im Blut von einigen Patienten, die an Long-Covid-ähnlichen Symptomen nach ihrer Impfung litten, Autoantikörper festgestellt, in anderen allerdings nicht. Das Risiko, nach einer Impfung zu erkranken, sei aber hundert-, wenn nicht tausendmal geringer als das Risiko einer Coronainfektion, sagte Prüss gegenüber Science. Sicher scheint: Wer das Long-Covid-Rätsel löst, hilft auch Menschen mit seltenen Impfkomplikationen, die Long Covid erstaunlich ähneln.


Bisher gibt es für die Betroffenen noch keine Therapie, die Erfolg versprechend ist. Eine Möglichkeit ist, dass sie sich an die Long-Covid-Station der Charité wenden, was einige bereits getan haben und zumindest dort Termine vereinbart haben. Eine weitere könnte eine Immunapharese sein, ein komplizierter und teurer Prozess, bei dem Autoimmun-Antikörper aus dem Blut entfernt werden. Noch ist nicht sicher, ob diese Antikörper danach nicht doch wieder produziert werden. Es gibt einige Experten für dieses Thema, im ganzen Land verteilt, deren Telefonnummern werden inzwischen in Selbsthilfegruppen geteilt, aber oft sind sie bis 2023 für Betroffene ausgebucht.


Die Impfung bleibt ein wirksames Mittel


Jeannette D. war im Spätsommer mit ihren beiden Kindern im Urlaub, sie fuhren auf die Insel Usedom. Ihr Ältester, 23, übernahm das Steuer. „Er hatte gerade erst den Führerschein gemacht. Da ist man immer etwas nervös, wenn sie das Auto fahren.“ Aber alles klappte in dieser Woche: Sie hatte Ruhe, wenn sie die wollte, sie schaute viel auf die Ostsee, erholte sich. Wenn die Kinder in den Klettergarten gehen wollten, lief sie unten mit und schaute nach oben. Wenn ihr schwindelig wurde, setzte sie sich. „Das war Normalität“, sagt sie, „das war schön.“


Hendrik G. möchte endlich gesund werden und arbeiten können. Kaffee kann er nicht mehr trinken, sagt er und bestätigt etwas, das auch andere Betroffene sagen. „Das Herzrasen ist zu stark.“


Felicia Binger verbringt noch immer die meisten Tage zu Hause. Das Schwierige bei Castings ist, dass sie als Schauspielerin am Set auch den 2G-Nachweis erbringen muss. -Sie hat inzwischen ein Medizinisches Attest, doch die Produktionsfirmen kennen sich selten damit aus und zögern. Ob und wie sie in nächster Zeit arbeiten kann, bleibt fraglich.


Der kalifornische Immunologe William Murphy sagt im Magazin Science: Anstatt zu behaupten, „alles ist sicher“, solle man den Menschen versichern, dass die Forschung alles tue, um die Impfstoffe immer besser zu verstehen. Er bleibe dabei: Die Impfung sei ein wirksames Mittel gegen die Pandemie.


Quelle: www.berliner-zeitung.de

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