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Selbstbesinnung in der institutionalisierten Wissenschaft

Die vergangenen drei Jahre haben so drastisch wie noch nie gezeigt, dass viele Bereiche der Wissenschaft immer stärker unter den Einfluss der Industrie und deren Profitinteressen gekommen sind. Diese stellen dann die „Experten“, auf deren Empfehlungen die Politik handelt. Reflexion der Wissenschaftler ist nun dringend geboten.

Es wäre mehr als begrüßenswert, ein „window of opportunity“, wenn die institutionalisierte Wissenschaft die ruhige Auslaufphase – oder nur trügerische Ruhe – der akuten Corona-Maßnahmen zum Anlass nehmen würde, zu reflektieren, was in den vergangenen mehr als zwei Jahren passiert ist, wie es passieren konnte, welche aktive oder passive Rolle die wissenschaftlichen Institutionen gespielt haben, welche Rolle die „Wissenschaft“ gespielt hat, wie es mit der Vorstellung von Wissenschaftlichkeit (und einfach Gedanken- und Meinungsfreiheit) auf sich hat, und vor allem wie es verhindert werden kann, dass ähnliches wieder passiert und wie es verhindert werden kann, dass die oder auch andere, noch dunklere Geschichten sich wiederholen.


Die wissenschaftlichen Institutionen, und auch „die Wissenschaft“ selber, sind nicht gestärkt, sondern in unterschiedlichen Hinsichten, nach Innen und nach Außen, be- und geschädigt aus der Situation herausgegangen. Weil „die Wissenschaft“ als nicht unwichtiges Argumentarium eingesetzt worden ist und wird, „science-washing“, und sich hat einsetzen lassen, gar aus einem eigenen befremdlich anmutenden Drang heraus, scheint eine Selbstreflexion und Besinnung besonders wichtig. Das meiste von dem Folgenden sollte selbstverständlich sein.


Es wäre wohl erstens festzuhalten, und auch darauf zu bestehen, dass die wissenschaftlichen Institutionen und auch die institutionalisierte Wissenschaft in einem bürgerlichen Rechtsstaat nicht Teil der Exekutive sind. Die Universitäten im Allgemeinen haben nicht die Aufgabe, als Exegeten, Apologeten oder Protagonisten für bestimmte politische Maßnahmen und Wunschvorstellungen zu dienen, oder bestimmte politische Ausrichtungen zu unterstützen, insbesondere nicht, wenn diese aus einem medialen Miasma ohne wirklich definierte Urheber aufsteigen: Industrie 4.0, Digitalisierung, diverse industrielle Revolutionen, künstliche Intelligenz, grüne Agenden, Kryptowährungen, flächendeckende medizinische Anwendungen als einziger Ausweg aus einer vermeintlichen Krise, unausweichliche Sanktionen gegen fremde Länder, Sprachreformen, monothematische Maßnahmen gegen bevorstehende klimatische Umwälzungen und weiteres.


Wissenschaft und Forschung arbeiten vermeintlich oder behauptet unabhängig, in zeitlich viel größeren Rahmen und Tiefen und von den Institutionen wäre zum Schutz so etwas wie eine „aktive Neutralität“ zu erwarten, eine Ablehnung der Vereinnahmung, eine Stärkung eigener und vielleicht sogar gesellschaftlicher Abwehrkräfte durch souveräne Analysen von all solchen Phänomenen.


Ganz konkret ist es nicht die Aufgabe von Universitäten, ohne vollständige Transparenz und Klarheit in der Auftragslage, Regierungen zu beraten und schon eingeschlagene, als alternativlos propagierte Wege durch bestellte Simulationen und Studien „wissenschaftlich“ zu bestätigen. Es wäre somit institutionell legitim, sich kritisch bis ablehnend bestimmten Maßnahmen gegenüber zu stellen und nicht aktiv mitzutragen, insbesondere wenn solche für das (auch finanzielle) Innenleben einer Institution schädlich sind.


Die wissenschaftlichen Institutionen sind auch nicht Bindeglied und Schmiermittel zwischen Industrie und Gesellschaft oder Politik, oder gar Werbeabteilung dergleichen. Deswegen sind Universitäten und andere Einrichtungen stets ausreichend vom Staate finanziert und nicht auf Drittmittel von verschiedenen Seiten, Wirtschaften, Stiftungen und Organisationen, angewiesen, womit per Definition erfolgreiche Projekte und Forschung betrieben und Durchbrüche errungen werden; es findet keine Anbiederung an das Gewünschte und keine subtile Korruption statt. Die gewährleistete Unabhängigkeit garantiert Vielfalt in Auffassungen und Zugangsweisen, Spruch und Widerspruch, keine Diskreditierung fundierter Zugangsweisen, und eine Diffamierung oder gar Aussonderung von Kritikern, Skeptikern und Andersdenkenden kann gar nicht erst stattfinden. Soweit die Theorie und das Eigenbild: Möge es zutreffen…


Wissenschaft ist zum Teil geschultes Misstrauen, die Fähigkeit einzuschätzen, welche Daten und Fakten eine Hypothese unterstützen, welche als Falsifikation gelten müssen, welche Argumente Gültigkeit haben und welche nicht, welche Modelle und Annahmen produktiv sein können, wo eine Simulation evtl. zutreffend sein könnte und wo nicht (welche Annahmen, Annäherungen, Vereinfachungen und Stellschrauben sind im Spiel?), wo wissenschaftliche Arbeit handwerklich gut gemacht ist. Statt Projekte zur Stärkung des Vertrauens in der Wissenschaft zu fördern (FWF) und teure PR Abteilungen zu unterhalten, wäre der gesellschaftliche Auftrag viel eher all dieses zu vermitteln. Studien zu lesen ist nicht einfach, erfordert Kenntnisse, Sach- und Hintergrundwissen und Gespür; nicht jede Studie, unabhängig von wo sie erschienen ist, „beweist“ auch das was behauptet wird, und ob eine Studie begutachtet ist oder nicht, ist nicht ohne weiteres dafür entscheidend ob sie auch „wahr“ ist. Zahlen, die sowohl falsch wie sinnlos sein können, sind nicht gleich Fakten. Große Datenmengen, „big data“, die künstlich intelligent verarbeitet werden, ändern hier natürlich nichts.


Die Evidenz für die Wirksamkeit von den seit März 2020 getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie, die es nur gab, weil die seit 2009 geänderte Definition, diese Beschreibung des Zustandes erlaubt, ist schwach. Es gibt keine starke Evidenz dafür, dass Lockdowns, das allgemeine Tragen von Gesichtsmasken, G-Regeln, Kontaktverfolgung, Schulschließungen, „grüne Pässe“ oder flächendeckendes Testen, zur Verhinderung der Ausbreitung einer Atemwegsinfektion beigetragen haben, insofern dies das Ziel all dieser Maßnahmen war.


Umgekehrt sollte es nicht allzu unmöglich sein, aufzurechnen und wissenschaftlich zu belegen, was diese unterschiedlichen Maßnahmen gekostet haben, direkt, akut, und indirekt und langfristig. Die erhobenen (und nicht erhobenen) Zahlen und willkürlichen Definitionen („mit oder wegen“?) waren und sind, wenn überhaupt von gesellschaftlich-öffentlich-medialem Interesse, nicht geeignet um wissenschaftlich fundierte Aussagen zu treffen. Es ist, selbst Anhand dieser offiziell preisgegebenen Zahlen, mittlerweile völlig unkontroversiell, dass die Gefährlichkeit von der Viruserkrankung, worum alles sich angeblich dreht, auf oder unter der Ebene von gewöhnlichen Grippe- und anderen Virusinfektionen einzuordnen ist.


Dass die vorgeschlagene, alternativlose Behandlung im besten Fall nach kürzester Zeit wirkungslos ist, dafür aber erhebliche Nebenwirkungen mit sich ziehen kann, scheint empirisch belegbar (obwohl belastbare und sinnvolle Zahlen nicht vorzuliegen scheinen oder nicht vorgelegt werden sollen) und die Evidenz, dass sie bestimmte Verläufe verhindert, ebenso schwach wie schwammig. Weitaus besorgniserregender aus wissenschaftlicher Sicht ist der Abbau von Prüfverfahren und die gesenkte Schwelle, womit neuartige medizinische Präparate zugelassen und auf den Markt geworfen werden können, und sogar Pflicht zur Einnahme eingeführt werden kann, wie es tatsächlich in Österreich, aber auch anderswo passierte.


Die rechtsstaatlichen Kriterien von Notwendigkeit, Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit sind somit alle im schwersten Umfang verletzt worden, aber dies ist eine politische und keine wissenschaftliche Angelegenheit, obwohl die entsprechende Wissenschaft eigentlich darauf hinweisen müsste. Die Logik, dass die Gesamtbevölkerung, Problemen, die von der Politik verursacht bzw. nicht angegangen worden sind (Überlastung und Zusammenbruch des Gesundheitswesens), lösen muss durch verordnete Verhaltensweisen (erst zuhause bleiben, dann frieren), wird weiterhin unbeirrt aufrechterhalten. Das Tragische ist, dass all diese Sachverhalte schon unlängst von marginalisierten Teilen der Wissenschaft dargelegt und mit soliden Fakten und Argumenten belegt wurden.


Die vergangenen Jahre scheinen, zumindest in Teilen der Wissenschaftsinstitutionen, Grenzen der sogenannten „Digitalisierung“ aufgezeigt zu haben, und haben zB. eine zaghafte Rückkehr zur Präsenz in der Lehre eingeleitet. Die sich neu anbahnenden (schon permanenten) Krisen machen ebenfalls sichtbar, dass die digitale Infrastruktur nicht zum Nulltarif zu haben ist, und dass also die allumfassende, re-präsentierende „Digitalisierung“ einen sehr hohen Preis hat, auch in Form von Energiekosten, Anfälligkeit und gefährlichen Abhängigkeiten.



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