Derzeit spielt sich die wohl gravierendste Umgestaltung der Weltordnung seit 1945 ab. Ausgelöst wurde sie durch die von den US Oligarchen vorangetriebene Osterweiterung der NATO bis der russische Bär endgültig aus dem seit 1991 währenden Winterschlaf aufgeweckt wurde. Die Erschütterungen und Veränderungen, die dadurch ausgelöst werden, sind weiterreichender als sich das irgendjemand der Strategen der US-Oligarchen und Pandemiebetreibern jemals vorstellen konnte. Die BRICS Staaten und Eurasien sind bereits die neuen Dominatoren.

von Dr. Peter F. Mayer
Merkel hat mit der Installierung der Pharma- und US-Lobbyistin Ursula von der Leyen der EU (absichtlich?) schweren Schaden zugefügt. Die derzeitige Kommission ist der inkompetenteste Klüngel der jemals EU-Kommission gespielt hat. An Inkompetenz und Fremdsteuerung werden sie allenfalls noch von Scholz/Lauterbach oder Nehammer/Rauch übertroffen.
Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) werden die Basis einer neu entstehenden Weltordnung bilden – im Bild oben die Regierungschefs dieser Staaten. Dies kündigte der stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation, Sergei Rjabkow an: „…ich glaube, dass die BRICS-Staaten, auf die fast die Hälfte der Weltbevölkerung und ein bedeutender Teil des Welt-BIP entfallen, eine der Säulen der neu entstehenden Weltordnung sein werden…“.
In der EU-Kommission und bei westeuropäischen Staatenlenkern herrscht dagegen Verdrängung im ursprünglichen Freud‘schen Sinn. Russland verlangt Zahlung von Gaslieferungen in Rubel, Scholz sagt trotzig wie ein kleines Kind, „wir zahlen aber nur in Euro oder Dollar“. Scholz hat nicht begriffen, dass der Absperrhahn für die Gasleitung in Russland liegt und nicht in Deutschland. Freud hätte seine Freude an dieser manifesten Verdrängung.
Die Zentralbanken von Indien und Russland treffen sich um ein Zahlungssystem von Rubel-Rupie aufzusetzen. Saudi Arabien will künftig Öl für chinesische Yuan liefern. Aber die Politiker in der EU und Westeuropa glauben noch immer mit Sanktionen Russland in die Knie zwingen zu können, ohne dabei zu bemerken, dass sie selbst schon auf den Knien liegen und mit ihnen die Bürgerinnen und Bürger der EU.
Wenn ich wissen will, was in der Welt vorgeht, ist es wenig sinnvoll die von den US-Oligarchen bezahlten Mainstream Medien in Österreich, Deutschland und der EU zu lesen. Besser informiert ist man mit indischen, chinesischen, brasilianischen oder russischen – oder aber konservativen US- oder UK-Medien. Die bieten wesentlich seriöseren Journalismus als die Propagandamedien bei uns.
Hier eine Einschätzung der Entwicklung in Eurasien und der Bedeutung der russischen und früher ukrainischen Stadt Mariupol aus dem konservativen US-Medium von Ron Unz, theoretischer Physiker mit Ausbildungen in Harvard University, Cambridge University und Stanford University.
Die Rolle von Mariupol beim Bau der Seidenstraße
Mariupol, der strategische Hafen am Asowschen Meer, bleibt im Zentrum des Sturms in der Ukraine. Nach Darstellung der NATO wurde Asowstal – eines der größten Eisen- und Stahlwerke Europas – von der russischen Armee und den mit ihr verbündeten Donezker Kräften, die Mariupol „belagerten“, fast zerstört.
Die wahre Geschichte ist, dass das neonazistische Asow-Bataillon seit Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine zahlreiche Zivilisten aus Mariupol als menschliche Schutzschilde missbraucht hat und sich als letztes Aufgebot nach Asowstal zurückgezogen hat. Nach einem in der vergangenen Woche gestellten Ultimatum werden sie nun von den russischen und Donezker Streitkräften sowie den tschetschenischen Spetsnaz vollständig vernichtet.
Asowstal, das zur Metinvest-Gruppe gehört, die vom reichsten Oligarchen der Ukraine, Rinat Achmetow, kontrolliert wird, ist in der Tat eines der größten Hüttenwerke Europas und bezeichnet sich selbst als „leistungsstarkes integriertes Hüttenunternehmen, das Koks und Sinter, Stahl sowie hochwertige Walzprodukte, Stäbe und Formate herstellt“.
Inmitten einer Flut von Berichten über die Schrecken, die die Neonazis von Asow der Zivilbevölkerung von Mariupol zugefügt haben, verheißt eine weitaus verheißungsvollere, unsichtbare Geschichte Gutes für die nahe Zukunft.
Russland ist der fünftgrößte Stahlproduzent der Welt und verfügt darüber hinaus über riesige Eisen- und Kohlevorkommen. Mariupol – ein Stahlmekka – bezog früher Kohle aus dem Donbass, wurde aber seit den Maidan-Ereignissen 2014 unter der De-facto-Herrschaft der Neonazis zu einem Importeur. Eisen beispielsweise wird seither aus dem über 200 Kilometer entfernten Kriwbas in der Ukraine geliefert.
Nachdem sich Donezk als unabhängige Republik gefestigt hat oder sich per Referendum für den Beitritt zur Russischen Föderation entschieden hat, wird sich diese Situation zwangsläufig ändern.
Azovstal investiert in eine breite Palette sehr nützlicher Produkte: Baustahl, Schienen für Eisenbahnen, gehärteter Stahl für Ketten, Bergbauausrüstungen, Walzstahl für Fabrikanlagen, Lastwagen und Eisenbahnwaggons. Teile des Fabrikkomplexes sind recht modern, während andere, jahrzehntealte Anlagen dringend einer Modernisierung bedürfen, die die russische Industrie sicherlich leisten kann.
Strategisch gesehen handelt es sich um einen riesigen Komplex, der direkt am Asowschen Meer liegt – das jetzt praktisch zur Volksrepublik Donezk gehört – und in der Nähe des Schwarzen Meeres. Das bedeutet eine kurze Reise zum östlichen Mittelmeer, einschließlich vieler potenzieller Kunden in Westasien. Und wenn man den Suez überquert und den Indischen Ozean erreicht, erreicht man Kunden in ganz Süd- und Südostasien.
Die Volksrepublik Donezk, die möglicherweise Teil des künftigen Noworossija und sogar Teil Russlands sein wird, wird also einen Großteil der Stahlproduktionskapazitäten für Südeuropa, Westasien und darüber hinaus kontrollieren.
Eine der unvermeidlichen Folgen ist, dass sie in der Lage sein wird, einen regelrechten Boom beim Bau von Güterbahnen in Russland, China und den zentralasiatischen „Stans“ (Staaten oder Regionen in denen Russisch gesprochen wird) auszulösen. Der Eisenbahnbau ist zufällig der bevorzugte Verbindungsmodus für Pekings ehrgeizige Belt and Road Initiative (BRI). Und vor allem für den immer stärker werdenden Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC).
Mittelfristig dürfte Mariupol also zu einem der wichtigsten Knotenpunkte eines Booms von Nord-Süd-Routen – INSTC durch Russland und Verbindung mit den „Stans“ – sowie von wichtigen BRI-Upgrades in Ost-West-Richtung und von Sub-BRI-Korridoren werden.
Verflochtenes Eurasien
Die Hauptakteure des INSTC sind Russland, der Iran und Indien, die sich nach den NATO-Sanktionen nun in einem fortgeschrittenen Verflechtungsmodus befinden und Mechanismen zur Umgehung des US-Dollars in ihrem Handel entwickelt haben. Aserbaidschan ist ein weiterer wichtiger INSTC-Akteur, der noch unbeständiger ist, weil er die türkischen Konnektivitätspläne im Kaukasus privilegiert.
Das INSTC-Netz wird nach und nach auch mit Pakistan verbunden – und damit ist der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC) gemeint, ein wichtiges BRI-Drehkreuz, das sich langsam aber sicher nach Afghanistan ausdehnt. Der spontane Besuch von Chinas Außenminister Wang Yi in Kabul Ende letzter Woche diente dazu, die Einbindung Afghanistans in die Neue Seidenstraße voranzutreiben.
All dies geschieht, während Moskau – das Neu-Delhi sehr nahe steht – gleichzeitig die Handelsbeziehungen mit Islamabad ausbaut. Alle drei sind Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).
Das große Nord-Süd-Konzept sieht also eine fließende Verbindung vom russischen Festland zum Kaukasus (Aserbaidschan), nach Westasien (Iran) bis nach Südasien (Indien und Pakistan) vor. Keiner dieser Hauptakteure hat Russland verteufelt oder mit Sanktionen belegt, obwohl die USA ständig Druck ausüben, dies zu tun.
Strategisch gesehen stellt dies das russische multipolare Konzept der Greater Eurasian Partnership in Bezug auf Handel und Konnektivität dar – parallel und ergänzend zur BRI, denn Indien, das einen Rupien-Rubel-Mechanismus zum Kauf von Energie einführen möchte, ist in diesem Fall ein absolut wichtiger Partner Russlands, der mit Chinas angeblichem 400-Milliarden-Dollar-Deal mit dem Iran gleichzieht. In der Praxis wird die Greater Eurasia Partnership eine reibungslosere Konnektivität zwischen Russland, Iran, Pakistan und Indien ermöglichen.
Das NATO-Universum ist indessen von Natur aus nicht in der Lage, die Komplexität der Angleichung auch nur zu erkennen, geschweige denn ihre Auswirkungen zu analysieren. Wir haben es hier mit der Verflechtung von BRI, INTSC und der Greater Eurasia Partnership zu tun – alles Begriffe, die im Washingtoner Beltway als Anathema gelten.
All das wird natürlich in einem geoökonomischen Moment entworfen, der das Spiel verändert, da Russland ab diesem Donnerstag nur noch Zahlungen für sein Gas in Rubel von „unfreundlichen“ Ländern akzeptieren wird.
Parallel zur Greater-Eurasien-Partnerschaft baut die 2013 ins Leben gerufene BRI nach und nach ein komplexes, integriertes eurasisches Netzwerk von Partnerschaften auf – Finanz- und Wirtschaftspartnerschaften, Konnektivität, Aufbau physischer Infrastrukturen, Wirtschafts- und Handelskorridore. Die Rolle der BRI als Mitgestalterin von Institutionen der Global Governance, einschließlich normativer Grundlagen, war ebenfalls von entscheidender Bedeutung, sehr zum Leidwesen des NATO-Bündnisses.
Zeit für die Entwestlichung
Doch erst jetzt wird vor allem der globale Süden beginnen, das gesamte Spektrum des chinesisch-russischen Spiels in der eurasischen Sphäre zu beobachten. Moskau und Peking engagieren sich gemeinsam dafür, die globalistische Governance zu ent-westlichen, wenn nicht gar ganz zu zerschlagen.
Russland wird von nun an noch sorgfältiger beim Aufbau von Institutionen vorgehen und die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU), die SOZ und die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) – ein eurasisches Militärbündnis ausgewählter postsowjetischer Staaten – in einem geopolitischen Kontext der unumkehrbaren institutionellen und normativen Kluft zwischen Russland und dem Westen zusammenführen.
Gleichzeitig wird die Greater Eurasia Partnership Russland als ultimative eurasische Brücke festigen und einen gemeinsamen Raum in ganz Eurasien schaffen, der sogar das vasallisierte Europa ignorieren könnte.
Im wirklichen Leben wird die BRI, ebenso wie die INSTC, zunehmend mit dem Schwarzen Meer verbunden sein (hallo, Mariupol). Und die BRI selbst könnte in ihrer Betonung der Verbindung zwischen Westchina und der schrumpfenden industriellen Basis Westeuropas sogar einer Neubewertung unterzogen werden.
Es macht keinen Sinn, die nördlichen BRI-Korridore – China-Mongolei-Russland über die Transsibirische Eisenbahn und die Eurasische Landbrücke über Kasachstan – zu bevorzugen, wenn Europa in mittelalterliche Demenz verfällt.
Der erneute Schwerpunkt der BRI liegt auf dem Zugang zu unersetzlichen Rohstoffen – und damit ist Russland gemeint – sowie auf der Sicherung wichtiger Lieferungen für die chinesische Produktion. Rohstoffreiche Länder wie Kasachstan und viele Akteure in Afrika werden die wichtigsten Zukunftsmärkte für China sein.
In einer Vor-Covid-Schleife durch Zentralasien hörte man ständig, dass China Fabriken und Hochgeschwindigkeitseisenbahnen baut, während Europa bestenfalls Weißbücher schreibt. Es kann immer noch schlimmer kommen. Die EU als besetztes amerikanisches Territorium ist dabei, vom Zentrum der Weltmacht zum unbedeutenden Akteur an der Peripherie herabzusteigen, zu einem sich abmühenden Markt an der äußersten Peripherie“ von Chinas „Schicksalsgemeinschaft“.
Soweit diese US-Quelle. Und – möchte ich hinzufügen – aus Europa werden auch der Reihe nach Staaten ausbrechen, deren Regierungen noch mit etwas Intelligenz gesegnet sind. Serbien, das sich nach dem verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Bombardement durch die NATO im Jahr 1999 nach freundlichen Partnern umsieht, wohl als erstes. Und in Ost- und Südosteuropa werden einige folgen, die diesem Riesen-Wirtschaftsraum mehr abgewinnen können als der EU. Auch Ungarn ist dafür ein Kandidat, das sich schon jetzt bemerkenswert neutral verhält.
Quelle: www.tkp.at
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